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© Barbara Henrike Schuhrk 2018
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MÄCHTIG wirkt er, wenn er durch die engen Gassen von Dublin geht. ZART, wenn er seine Worte wählt, gestikuliert, aufblickt. Ein Gesicht mit Seele. Dieter Pfaff ist pur und Gegensatz: Neugierig und gelassen, realistisch und idealistisch; sinnlich und schön. Seine Worte bleiben, stimmen nachdenklich; Stunden und Tage danach. Seien es Gedanken über das Leben, den Tod oder einen überraschenden Traum. So wie er, sind auch seine Abbilder: Rollen, die er lebt, ja. Er selbst ist keine Rolle. Mätzchen für Fotos entsprechen ihm nicht. Nur Bilder, die ihn wiedergeben, unverfälscht und gerade: "Das was ich lebe, muß ich nicht spielen."

DIETER PFAFF

(Fotoreportage in Irland mit Jean-Loup Debionne im Auftrag der Frau

im Spiegel)

Dublin, ein schäbiger Pub, ein Mann, eine Frau. Ein Gesicht, dessen Züge innerhalb von nur Minuten Gefühle widerspiegeln, die gegensätzlicher kaum sein können: Freude, Liebe, Hoffnung, Fragen, Erstaunen, Verletztsein, Enttäuschung und Trauer. Das Gesicht eine Genies. Dreharbeiten zu "Growing pains", Pfaff's erste englischsprachige Rolle: Eine Irin lebt mit ihren Kindern in Düsseldorf, als ihr Mann stirbt, sich sein Doppelleben enthüllt; eine zweite Familie in Irland, ein sterbenskrankes Kind. Sie verliert alles, hat Schulden, Anwalt Hans (Dieter Pfaff) will ihr helfen, verliebt sich. Sie jedoch will keine Abhängigkeiten, sein Leiden wächst, sie weist ihn ab... "Packen Sie mal Gefühle aus, in Juristen-Englisch, zeigen dabei Liebe und spielen - das ist schon sehr schwierig," lacht Dieter Pfaff. Der Schwierigkeitsgrad hat ihn gereizt, aber auch sein eigener Anspruch, ob er trotz dieser Hürde zu einer Wahrhaftigkeit gelangen könne. Und seine Kollegin Brenda Fricker ( "Mein linker Fuß"), die Geschichte selbst. "Ich hatte fürchterlich Schiß, war verzweifelt und alle haben mir geholfen. Nun bin ich sehr, sehr froh, daß es so geklappt hat und weiß, das Schauspielerei international ist!" erklärt Pfaff glücklich. Intensiv hat er sich vorbereitet, Texte gelernt, sich konzentriert. Auch Irland hat er erkundet: "Dublin hat einen jungen Touch, die Einwohner sind durchschnittlich 25," erklärt er. Faszinierend sei, daß Irland auch nach Beckett, Joyce und Wilde Literatur hoch schätze. "Für Musiker, Schreiber, Künstler aller Art gibt es keine Steuer, Kunst ist nicht elitär sondern für das Volk und findet Anerkennung." Trotz der irischen Enge die Weite des Geistes. "Eine Arbeiter-Stadt voller Gegensätze, ein finsterer Teil, Arbeitslose, Armut, dann eine herausgeputzte Innenstadt, stets überfüllt und jung." Eine Stadt für Pfaff. Extreme reizen den Schauspieler. "Es ist der Motor in mir, hat für mich auch mit Grenzerfahrungen zu tun." Die sucht er, in Gefühlen, im Denken. "Das kann ich durch mein Spielen tun. Wenn meine Rolle verlangt, daß ich einen Herzinfarkt spiele, bekomme ich Herzschmerzen, weil ich spüren muß, um nicht nur zu spielen." Dies sei eine Grenzerfahrung, bei der es darum ginge, wahrhaftig zu sein... Danach wurde er gefragt, ob er bereits einen Herzinfarkt gehabt habe. Hat er nicht. Sondern sich nur ein weiteres Mal eingelassen auf die Gefahr. Spielen und Wahrhaftigkeit - wieder ein Gegensatz, den Pfaff vereint. Was er tut, tut er ganz. Viele Wege boten sich an, viele Türen hätte er wählen können. Er ging den schwierigen Weg, zwei Schritte vor, zwei rechts, zwei links - aber immer vorwärts. Mit einem Ziel vor Augen. Germanistikstudium, Jobs, Regisseur, Kulturbeauftragter, und Professor. Mit 41 Jahren tat er etwas, "um nicht sterben zu müssen": Er wurde endlich Schauspieler. "Ich bin mit mir selbst im Reinen, Gefühl und Körper sind ein Ganzes," erklärt Pfaff sein Handeln. "Ich schere mich nicht darum, was andere sagen, denn ich sehe keine andere Möglichkeit für mich, als mein Leben so zu führen." Für sein eigenes Überleben, wie er feststellt und es auch genauso meint. Vieles, was er getan hat, stieß zunächst auf Skepsis, dann auf Erfolg. Er war nicht jung, nicht äußerlich schön, doch dann wurde er gelobt und ausgezeichnet. "Bruder Esel" mußte er selbst initiieren, von Johannes Reben entwerfen lassen, sonst wäre er auf ewig ins komödiantische Fach verbannt gewesen. "Sperling", der Kommissar, den er selbst entwickelt hat, würde keiner sehen wollen; "ein Krimi ohne Tote." Es wurde ein großer Erfolg, ausgezeichnet mit allen Preisen, die Deutschland hergibt, für seine Entdeckungen. Dieter Pfaff hat sich selbst entdeckt, sich in seiner ganzen Vielseitigkeit früh gefunden. Naiv und wissend zugleich, im täglichen Kampf darum, sich seine Träume zu erfüllen, einen nach dem anderen. Nach dem englischsprachigen Film folgt nun ein Heimatfilm, dann die Erfüllung eines Traumes: "Wir planen einen Film, in dem ich einen gescheiterten Rocksänger spiele," strahlt er. "Ein tiefer Traum von mir. Ich wollte selbst Rocksänger werden, doch hatte ich immer Angst, es könne bessere geben." Zweifel, die er bei der Schauspielerei nie hatte. "Daher denke ich, dies ist der richtige Beruf für mich. Andere sind anders, aber nicht besser. Tief in mir weiß ich, ich kann das." Unterhaltung eben, wie er schlicht sagt. Wobei die Betonung nicht auf "Unter" liege, sondern auf "Haltung". Er erzähle ja auch Heimatgeschichten, was nicht für tiefe Nachdenkerei stehe, sondern für eine leichte Form. "Das kann man jedoch oberflächlich erzählen, oder ernst nehmen. Wenn ich damit berühren kann, die Herzen treffe, ist es das wert!" Facettenreich wie seine Rollen, sieht er das Leben. "Turn, turn, turn" von den "Byrds"- so sei das Leben: "Es gibt eine Zeit für alles, Zeit zu säen, zu ernten, Zeit für Liebe, Leben und Sterben. Und auf all das bin ich neugierig," lächelt er nur scheinbar gelassen. Durch seine Rollen könne er in andere Zeiten springen, Dinge tun, die er im Leben nicht tue. "Das was ich lebe, muß ich nicht spielen." Neugierde auch auf den Tod? "Der Tod steht immer neben mir, ist steter Begleiter. Ich kann das verdrängen, aber manchmal sehe ich mich um, ob er hinter mir steht." Es gebe so viele Dinge, die ein Mensch nicht verstehen könne, da Verstand und Sinne nicht ausreichten. "Aber in jedem ist eine Ahnung, etwas, was ich nicht auszudrücken vermag, aber fühle und damit weiß ich, daß Existenz endlich ist." Natürlich stelle sich die Frage, was bleibe: "Die Kinder. Und vielleicht irgendwo in der Energiesuppe ein Teil von mir..." Ein Leben nach dem Tod sieht er nicht „mit Flügelchen auf der Wolke, sondern eher in Erinnerungen, Gedanken, in einer Form, die sehr viel reichhaltiger ist, deren Umfang nicht in unseren doch recht engen Verstand paßt.“ Angst habe er nur, vor dem, „was weh tut“. „Ich mußte einen Abszeß in meinem Hals operieren lassen. Du wirst in den OP geschoben und beginnst zu denken: Sehe ich meine Frau nun zum letzten mal? Man muß es erleben, um zu wissen, wie es ist. Alle Gedanken zum Tod können falsch sein, er wird anders sein, als wir vermuten.“ Worte, die er aus Überzeugung spricht und dennoch bereit ist, sie in Frage zu stellen. „Ich bin ein unsicherer Mensch,“ sagt Pfaff. Und meint, daß alles in unterschiedlicher Sichtweise betrachtet werde, es keine Absolutheit gebe. „Jede Meinung ist richtig, kann richtig sein. Ich sage nur, was ich meine, andere denken anders und so hinterfrage ich oft, was ich denke, tue und fühle.“ Pur und gegensätzlich. Dieter Pfaff ist schön. Nur ein Schöngeist, behauptet er ernsthaft, sei er sicher nicht. Barbara Schuhrk